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Nach zehnjähriger Planungs- und Umbauphase wurde am 12. und 13. Mai eines der außergewöhnlichsten städtebaulichen Ensembles Idar-Obersteins seiner neuen Bestimmung zugeführt – aus dem historischen Fabrikgebäude Jakob Bengel ist ein beeindruckendes  Kulturdenkmal geworden. Zu sagen, das Industriedenkmal würde feierlich wiedereröffnet, entspricht nicht ganz den Tatsachen, war das Gebäude doch während der gesamten Umbauphase nie wirklich geschlossen, berichtet Julia Wild vom 2006 gegründeten Freundeskreis Jakob Bengel Denkmal. Als eingetragener Verein begleitet und unterstützt der Freundeskreis seit Jahren die Projekte der Stiftung.

Während in den vergangenen zehn Jahren sowohl im Inneren des Gebäudes als auch an der Außenfassade umfangreiche Renovierungs- und Erweiterungsmaßnahmen stattfanden – unter anderem der Einbau technischer Brandschutzeinrichtungen sowie die denkmalgerechte Restaurierung der alten Fabriketagen –, lief der Betrieb stets weiter.Der im Einladungsflyer verwendete Begriff „feierliche Übergabe des historischen Fabrikgebäudes an die Öffentlichkeit“ trifft es da schon besser. Gemeinsam mit dem Kultursommer Rheinland-Pfalz lädt die Stiftung Jakob Bengel am zweiten Maiwochenende zu zahlreichen Veranstaltungen ein.

Neben Führungen durch das Haus können Besucher auch in verschiedene Vorträge hineinhören – unter anderem über die bauliche Erhaltung und Entwicklung sowie die Historie des charmanten Industriedenkmals, aber auch über die Geschichte der Obersteiner Modeschmuckindustrie. Denn in der Blütezeit der Schmuck- und Metallwarenindustrie waren in Oberstein rund 5000 Menschen beschäftigt. Die Ketten- und Bijouteriewarenfabrik Jakob Bengel ist einer der wenigen noch existierenden Betriebe – und deshalb ein besonders erhaltenswerter Zeitzeuge.

 

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Industriegeschichte zum Anfassen

In den historischen und nun behutsam restaurierten Fabrikationsräumen an der Wilhelmstraße wird dem Besucher die Zeit der mechanischen Produktion des Unternehmens von 1870 bis 1990 anschaulich nahe gebracht. Ziel der engagierten Jakob Bengel-Stiftung sowie des Freundeskreises ist es, „das Andenken an die Idar-Obersteiner Ketten- und Bijouteriewarenindustrie zu bewahren und die Lebensleistung der mit dieser Arbeit verbundenen Menschen herauszustellen.“ Nicht zuletzt deswegen war es allen Beteiligten ein Anliegen, dass die umfangreiche Renovierung des Hauses neue Räume für die Dauerausstellung hervorbringen sollte.

Während die im Erdgeschoss untergebrachte Präsentation von Obersteiner Modeschmuck nun für die Öffentlichkeit frei zugänglich ist, kann die industrielle Produktionsabteilung im Obergeschoss weiterhin ausschließlich in Form von Führungen besichtigt werden. Spannendes Erlebnis für alle Besucher: Die laufenden Maschinen gestatten es, Arbeitsweisen und technische Abläufe nachzuvollziehen. Alleine 40 Kettenmaschinen stehen in der Produktionshalle – die älteste ist mehr als 100 Jahre alt!

Aufbau eines Modeschmuckmuseums

Eröffnet wird am 13. Mai auch die neue ständige Ausstellung „Obersteiner Schmuck- &  Metallwarenindustrie im 19. & 20. Jahrhundert”, die einen Blick über den Tellerrand von Jakob Bengel hinaus wagt. „Bislang lag der Fokus der ständigen Ausstellung ganz klar auf dem Art-déco-Schmuck, der ab 1873 im Hause Jakob Bengel produziert wurde“, berichtet Julia Wild. Langfristiges Ziel sei es jedoch, eine Sammlung von Modeschmuck verschiedener repräsentativer Hersteller der Region zeigen zu können, so die Schmuckexpertin, deren eigene Wurzeln in der Idarer Schmuckbranche liegen. In der aktuellen Ausstellung sind beispielsweise Schmuckprodukte und Galanteriewaren der Firmen Ziemer & Söhne, Gebr. Schmidt und Carl August Haupt zu sehen.

Zeitgenössisch: Artists in Residence

Längst aber blickt man in den historischen Mauern der Schmuckfabrik nicht mehr nur auf vergangene Blütezeiten zurück, sondern beschäftigt sich auch mit aktueller zeitgenössischer Schmuckkunst. Bestes Beispiel dafür ist das Stipendiatenprogramm „Artists in Residence (AIR)“. Bereits im zwölften Jahr lädt die Jakob Bengel- Stiftung in Kooperation mit der Hochschule Trier/Campus Idar-Oberstein internationale Schmuckkünstlerinnen und -künstler zu einem vier- bis zwölfwöchigen Arbeitsaufenthalt in die historische „Bijouteriewaren-und Uhrkettenfabrik Jakob Bengel“ ein. „Beliebt ist der AIR-Aufenthalt in der Edelsteinstadt Idar-Oberstein nicht zuletzt wegen der besonderen Verbindung aus Alt und Neu, Stein und Metall“, erklärt Julia Wild, die selbst auch als  wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Schmucktheorie unterrichtet.

Die eingeladenen Schmuckkünstler können sowohl in den modernen Werkstätten der Hochschule arbeiten als auch in den inspirierenden Ateliers der Villa Bengel. Hier steht ihnen der historische Maschinenpark mit Metallwalzen, Pressen und vielen anderen Originalwerkzeugen zur Verfügung. Auch in diesem Jahr sind mit der aus Estland stammenden Kätrin Beljaev, der US-Amerikanerin Rebecca Hannon und der deutschen Schmuckgestalterin Julia Walter wieder drei renommierte Künstlerinnen in Idar-Oberstein zu Gast. Traditionell hinterlassen die internationalen Schmuckgestalter nach Ende ihrer AIR-Zeit – quasi als Gegenleistung für Unterkunft und Taschengeld – ein eigens gefertigtes Objekt im Hause Bengel. Auf diese Weise konnte die Stiftung eine inzwischen recht beachtliche Sammlung moderner Schmuckkunst made in Idar-Oberstein zusammentragen.

Damals wie heute: Art-Déco-Schmuck von Jakob Bengel

In den 20er- und 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts stellte die Fabrik Jakob Bengel Schmuckstücke im Stil des Art déco her. Nicht nur die Formen, sondern auch die ungewöhnlichen Materialien – wie der heute kaum noch bekannte Kunststoff Galalith in Kombination mit Silber – und die exklusive Verarbeitung waren es, die die Firma Jakob Bengel und ihren außergewöhnlichen Modeschmuck weltweit bekannt machte.

1993, nach vielen erfolgreichen und später schwierigen Jahren, wurde die Schmuckherstellung eingestellt – nicht zuletzt wegen der geringeren Nachfrage und der Konkurrenz aus Billiglohnländern. Inzwischen hat die Stiftung jedoch wieder eine Produktionslizenz erteilt, um die Marke Jakob Bengel wieder aufleben zu lassen. Und so wird heute wieder eine limitierte Stückzahl an Schmuckstücken gefertigt: mit den Originalwerkzeugen und Arbeitsmethoden. Als Designvorlage dienen die Musterbücher aus den 30er-Jahren. Alle Schmuckstücke sind punziert und erhalten ein Echtheitszertifikat der Jakob Bengel-Stiftung.

 

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Von Christel Trimborn

GZ plus 05/18, S. 42 – 45

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