Das Industriedenkmal

Das Industriedenkmal Jakob Bengel ist ein lebendiges Museum zum Anfassen. Erleben Sie eine Zeitreise in die Hochzeit der Industrialisierung und die Geschichte der Idar-Obersteiner Modeschmuck- und Metallwarenindustrie.

Die Ketten- und Bijouteriewarenfabrik Jakob Bengel stellt ein für Rheinland-Pfalz einzigartiges Zeugnis der Industriegeschichte dar. Das Ensemble von Wohn- und Fabrikbauten ist seit 2005 als regionales Kulturerbe ausgezeichnet und zeugt in seiner wirtschaftlichen und sozialgeschichtlichen Bedeutung von der einst herausragenden Stellung Idar-Obersteins in der Bijouterie-Produktion. In der Blütezeit der Schmuck- und Metallwarenindustrie waren im Stadtteil Oberstein einschließlich der Heimarbeiter etwa 5.000 Menschen beschäftigt. Heute – nach etwas mehr als einer Generation – ist dieser Industriezweig fast gänzlich untergegangen.

In den historischen Fabrikationsräumen des Industriedenkmals erleben die Besucher*innen die Hochzeit der der Modeschmuckproduktion des Unternehmens von 1870 bis 1990.

Das im Originalzustand erhaltene Gebäudeensemble, bestehend aus der 1873 erbauten Fabrik mit Kamin und einem Erweiterungsbau aus dem Jahre 1932, den 1892 entstandenen Arbeiterwohnungen und der 1911 im Jugendstil erbauten Fabrikantenvilla, ist einzigartig in der gesamten Region und beeindruckt in seiner Ursprünglichkeit.

Geführte Besichtigung

Erleben Sie während der geführten Besichtigung der historischen Fabrik, wie aus einem Draht eine Kette hergestellt wird und mit Hilfe von Werkzeugen und Maschinen ein Schmuckstück entsteht. 40 tadellos gepflegte, voll funktionsfähige Kettenmaschinen stehen in der Maschinenhalle, die älteste über 100 Jahre alt.

Während der Führung werden neben den Kettenmaschinen auch Friktionsspindelpressen, Ziehbänke und Walzen vorgeführt. Die Fabrik Jakob Bengel ist ein außerordentliches Zeugnis längst vergangener Industriekultur, ein lebendiges Museum zum Anfassen.

Dauer der Führung ca. 60 min.

Art Déco Schmuck von Jakob Bengel

In den 20er- und 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts stellte die Fabrik Jakob Bengel Schmuckstücke im Stil des Art Déco her. Der Schmuck bestand aus verchromtem Metall und dem heute kaum mehr bekannten Kunststoff Galalith. Die einzigartige Gestaltung und Verarbeitung von schmuckuntypischen Materialien machen die Firma Jakob Bengel bis zum heutigen Tag weltweit bekannt.

Die Geschichte

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Obersteiner Modeschmuckindustrie zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor in der Region. Sie entstand aus einer bereits vorhandenen Hausindustrie, in der Gold- und Tombakschmiede selbständig, aber in Abhängigkeit zu lokalen Händlern, Schmuck- und Galanteriewaren herstellten. Die größeren Werkstätten investierten früh in Maschinen, die Teile des Arbeitsprozesses übernahmen – erste Fabriken entstanden. Die maschinelle Fertigung ließ eine kostengünstige Herstellung zu, welche die Basis für einen Vertrieb in ganz Europa darstellte. Die Produktpalette wurde schon bald um Bijouterieartikel sowie Handtaschenbügel, Gürtelschnallen, Orden und Anstecker erweitert. Trotzdem musste weiterhin vieles händisch, aber in industrieller Arbeitsteilung, montiert werden. 

In der Blütezeit waren in Oberstein etwa 5.000 Menschen – einschließlich der Heimarbeiter – in der Schmuck- und Metallwarenindustrie beschäftigt. Heute ist dieser spezielle Industriezweig, der seine Grundlage in der Massenfertigung hatte, aufgrund des weltweiten Wettbewerbs an diesem Standort nicht mehr konkurrenzfähig.

Die Firma Jakob Bengel

Die Firma Jakob Bengel wurde im Jahr 1873 als Uhrkettenfabrik gegründet. Die maschinelle Fertigung ließ eine kostengünstige Herstellung zu und erschloss somit einen großen Markt, der sich bald weit über Europa hinaus erstreckte.

Jakob Bengel
Der Firmengründer Jakob Bengel©Jakob Bengel-Stiftung

In der zweiten Generation wurde die Produktion der Kettenwaren ergänzt durch Bijouterieartikel. Diese wurden früher als „unechter Schmuck” bezeichnet, in der heutigen Zeit hat sich der Ausdruck Modeschmuck durchgesetzt, im französischen Sprachgut wurde er unter “Bijouterie fausse” geführt. Eine jüngst wiederentdeckte Schmuckpalette der 1920er und 1930er Jahre im Art Déco – und Bauhaus- Stil wurde vorwiegend nach Frankreich exportiert. Das bis heute modern wirkende Design der Stücke sowie die Verarbeitungsqualität gaben dem Art Déco-Schmuck von Jakob Bengel – damals wie heute - eine besondere Wertigkeit. Ein besonderer Höhepunkt war sicherlich die 1928 im Auftrag von Coco Chanel produzierte Schmuckkollektion.

Ab 1954 kam es zu einer neuen Blüte: Das Eloxalzeitalter (Elektrolytisch oxydiertes Aluminium) hatte begonnen. Produkte aus Aluminium, veredelt in sog. Eloxalbädern, konnten in beliebig gewünschten Farben hergestellt werden. Eine Entwicklung, die dem Modeschmuck geradezu entgegenkam.

1978 übernahm die vierte Generation die Produktion in der Ketten- und Bijouteriewarenfabrik Jakob Bengel. Längst wurden die Geschäfte mit der „unechten Bijouterie“ an das Ausland abgegeben, aber der Modetrend Kette hielt an. – Erst 1993 brach der Markt plötzlich wie nie zuvor ein. An dieser Situation änderte sich auch im folgenden Jahrzehnt nichts. Um die Gebäudeinfrastruktur, die Maschinen, Werkzeuge, Muster sowie die historische Einrichtung für die Zukunft zu erhalten, wurden Initiativen von unterschiedlichen Seiten gestartet und im Jahr 2001 die Jakob Bengel-Stiftung als Träger des heutigen Industriedenkmals gegründet. Heute hat sich das Industriedenkmal Jakob Bengel zur Begegnungsstätte von Kunst und Technik entwickelt und ist auf dem sicheren Weg zu einem überregionalen Kulturzentrum.

Das Gebäudeensemble

Das heute noch im Originalzustand erhaltene Gebäudeensemble gehört zu den schützenswerten Kulturdenkmälern im Landkreis Birkenfeld und dokumentiert eindrucksvoll die Verbindung von Arbeiten und Wohnen in der Blütezeit der Obersteiner Metallverarbeitungsindustrie. Es besteht aus der 1873 erbauten Fabrik, den 1890 entstandenen Arbeiterwohnungen und der 1910 im Jugendstil erbauten Fabrikantenvilla, die außen und innen nahezu vollständig im Originalzustand erhalten ist

Als letztes in Oberstein erhaltenes Gebäudeensemble dieser Art steht der Dreiklang aus Fabrikationsgebäude, Werkswohnungen und Fabrikantenvilla nicht nur für die Obersteiner Unternehmerschaft und die soziale Lage der Arbeiterschaft in der Zeit der Gründerjahre. Es repräsentiert zugleich in sehr typischer Weise die Lebensphilosophie der mittelständischen Fabrikanten dieser Epoche.

Die Villa Bengel

In der zweiten Generation – die Firma wird mittlerweile von dem Schwiegersohn des Firmengründers Jakob Bengel fortgeführt, wird die Fabrikantenvilla erbaut.

In der Villa Bengel ist heute ein Zentrum für zeitgenössisches Schmuckdesign entstanden. Regelmäßig werden in den Räumen der Fabrikantenvilla Ausstellungen nationaler und internationaler Schmuckkünstler*innen gezeigt, die das Spektrum des zeitgenössischen Schmuckdesigns widerspiegeln. Die Sonderausstellungen können während der Öffnungszeiten des Industriedenkmals besichtigt werden.

Der historische Garten

Die Gartenanlage gehörte damals wie auch heute zur historischen Villa. Sie rundet das Gesamtensemble der Villa ab.

Aktuell wird der historische Garten rekonstruiert und in seinen urspünglichen Zustand zurückversetzt. Er wird in Zukunft während der Öffnungszeiten frei und kostenlos zugänglich sein. Als kleine Oase mitten in der Stadt wird er eine Möglichkeit zum Entspannen, Sonne genießen und Plaudern bieten. Die Sitzmöglichkeiten werden zu einer kurzen Auszeit während des Museumsbesuchs einladen.