
Die ehemaligen Werkstätten des Industriedenkmals Jakob Bengel bieten beeindruckende Einblicke in die Modeschmuck-Produktion des vergangenen Jahrhunderts
Nicht erst seit Bestehen der Jakob Bengel-Stiftung im Jahr 2001 ist das aus der Gründerzeit stammende Gebäudeensemble geprägt von einer spannenden Geschichte und vielen ehrgeizigen wie erfolgreichen Projekten.
Der Countdown zur 100. Ausstellung läuft: Bis Mitte Mai konnten Besucher der Idar-Obersteiner Villa Bengel mit der Doppelausstellung „Belgisch bei Bengel“ bereits die 95. und 96. Präsentation zeitgenössischen Schmucks in den alten Gemäuern der Modeschmuckfabrik erleben. Die 100. Ausstellung wird aller Voraussicht nach im nächsten Jahr stattfinden.
„Die wechselnden Galerieausstellungen gehören ebenso zum Konzept der Jakob Bengel-Stiftung wie das Programm ,Artist in Residence‘ (A.i.R.), das seit beinahe zehn Jahren gemeinsam mit der Hochschule realisiert wird. Unser jüngstes Projekt, das in Kooperation mit einem örtlichen Schmuckunternehmen verwirklicht wird, ist der Relaunch der historischen Schmuckmarke Jakob Bengel“, erklärt Wilhelm Lindemann drei der Säulen, auf denen die Stiftung fusst. Lindemann ist Vorstandsvorsitzender der Jakob Bengel-Stiftung und geistiger Vater zahlreicher Projekte, unter anderem des jährlich stattfindenden Symposiums „Schmuckdenken“, für die Idar-Oberstein bei Schmuckinteressierten weit über die Grenzen des Hunsrücks hinaus bekannt ist.
Ambitioniertes Anliegen

Stiftungsvorsitzender Wilhelm Lindemann, Bruno Zimmer (ehemaliger Oberbürgermeister Idar-Oberstein), Künstlerin Uta Feiler und Designerin Valeska Link (v. l.) bei einer Ausstellungseröffnung.
Neben diesen „Brückenschlägen in die Moderne“, wie Lindemann Projekte wie A.i.R und die zeitgenössischen Schmuckausstellungen nennt, ist das Hauptanliegen der Jakob Bengel-Stiftung jedoch noch ein weiteres: „Die Historie der Idar-Obersteiner Modeschmuckproduktion, welche die Stadt über Jahrzehnte geprägt hat, bevor sie in den 90er-Jahren weitestgehend endete, soll als lebendiges Archiv erhalten bleiben“, so Wilhelm Lindemann. Mit dem Ziel, das Gebäude zum Industriedenkmal zu erklären und es so für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, gründete Christel Braun, Urenkelin des Firmengründers, im Jahr 2001 die Jakob Bengel-Stiftung. Ihr Plan ist aufgegangen.
Das beeindruckende Ensemble aus Fabrikationsgebäude, Werkswohnungen und Fabrikantenvilla ist nahezu vollständig im Originalzustand erhalten. Und damit auch die Geschichte der Obersteiner Schmuckindustrie, welche mehr als 130 Jahre lang Hunderttausenden von Menschen Arbeit bescherte. „Ein solch umfangreiches Archiv gibt es in ganz Deutschland kein zweites Mal.Die Maschinen und Werkzeuge sind einzigartige Zeitzeugen und belegen in ihrer Vielfalt die Hochrangigkeit dieses Kulturdenkmals“, sagt Wilhelm Lindemann. Derzeit werden in der ständigen Ausstellung in mehr als 30 Vitrinen Uhrketten und Schmuckstücke aus der Produktion des Hauses präsentiert. Zudem macht eine Kettenmaschine im Zeitlupentempo deutlich, wie aus einem Draht eine Uhrkette hergestellt wird.
Dass die Erhaltung des Industriedenkmals Jakob Bengel mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden ist, kann man sich denken. „Glücklicherweise ist es in der Vergangenheit durch Zuschüsse von Land, Stadt und Denkmalpflege sowie privaten und öffentlichen Geldgebern gelungen, nicht nur das Haus zu erhalten und auszubauen, sondern auch Schmuckankäufe zu tätigen und neue Ideen zu realisieren“, sagt Stiftungsvorstand Lindemann, der unter anderem auch Kulturreferent der Stadt Idar-Oberstein war. Derzeit steht ein weiteres zukunftsweisendes Vorhaben an. Das Gebäude wird unter Berücksichtigung der denkmalpflegerischen Belange und ohne das historische Interieur zu zerstören restauriert und teilweise umgebaut – und bei der Gelegenheit auch gleich auf den neuesten Stand der Brandschutzbestimmungen gebracht. Hinzu kommt die Einrichtung einer umfangreichen Dauerausstellung von historischem und modernem Modeschmuck (nicht nur aus dem Hause Bengel), in der zugleich alte und neue Schmucktechniken dargestellt werden.
Anziehende Ausichten

Das neue Schmuckstück aus dem Relaunch-Projekt wurde nach einem Originalmuster aus der Jakob-Bengel-Kollektion gefertigt (l.) Die Werkstätten der früheren Kettenfabrik sind bestens erhalten (r.).
„Im Winter 2015/2016 wird das Industriedenkmal für einige Monate geschlossen, anschliessend können die Räume etappenweise restauriert werden“, prognostiziert Lindemann. Die Eröffnung der neuen Dauerausstellung ist für 2017 geplant. Bis dahin werden rund drei Millionen Euro an Investitionen in das Industriedenkmal geflossen sein.
Eine gute Anlage, da sind sich alle Beteiligten sicher. Denn längst dient dieser historische Ort als Anziehungspunkt für Schmuckinteressierte, Künstler und Fachbesucher aus ganz Deutschland und Nachbarländern wie den Niederlanden, Belgien und Frankreich. Ein Anliegen hat der Vorstandsvorsitzende noch: „Unsere Sammlungsbestände an historischem Modeschmuck aus der Zeit von 1860 bis 1990 sind in den letzen Jahren stetig gewachsen. Wir sind aber noch auf der Suche nach weiteren Schmuckexponaten anderer Modeschmuckhersteller, die Eingang in die Ausstellung finden könnten.“
Artist in Residence (A.i.R.)
Seit 2006 lädt die Jakob Bengel-Stiftung in Kooperation mit der Hochschule Trier internationale Schmuckkünstler zu einem vier- bis zwölfwöchigen Arbeitsaufenthalt in die historische „Bijouteriewaren- und Uhrkettenfabrik Jakob Bengel“ ein. Währenddessen bekommen die Künstler eine kostenfreie Wohnung, einen Atelierplatz im Industriedenkmal sowie ein monatliches Stipendium. Der historische Maschinenpark und die Werkstätten der Hochschule, Studiengang „Edelstein- und Schmuck“, können benutzt werden.
Im Gegenzug sollten die A.i.R.s für eine öffentliche Vortrags- und eine Lehrveranstaltung in der Hochschule zur Verfügung stehen. Darüber hinaus überlassen sie der Jakob Bengel-Stiftung ein bis zwei Schmuckstücke als Dauerleihgabe. Diese sind Bestandteil der stetig wachsenden zeitgenössischen Schmucksammlung, die derzeit rund 50 Stücke umfasst.
Download Beitrag Jakob Bengel-Stiftung, GZ plus 06/15
von Christel Trimborn; GZ plus 06/15;
Fotos: Freundeskreis Jakob Bengel Denkmal e.V., Manuel Ocaña Mascaró (4), JBIO (1)